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Protest The Hero - Volition - Massen-Review

04.11.2013

Protest The Hero "Volition" CoverFür eine Band dieser Größenordnung ist es eher ungewöhnlich, die "normalen" Business-Wege zu verlassen und ihr neues Album über eine Fundraising-Kampagne zu finanzieren. Aber die Modern-Proggies von PROTEST THE HERO waren noch nie eine gewöhnliche Band und insofern ist es nur konsequent, für das vierte Album "Volition" neue Wege zu beschreiten. Es haben sich (natürlich) mehr als genug Menschen gefunden, die das Vorhaben unterstützt haben und die deshalb auch namentlich im (digitalen) Booklet des Albums erwähnt werden. Darunter übrigens auch ein Rezensent von musikreviews.de, der sich natürlich auch an unserem Massen-Review beteiligt. Wer das nicht ist, dürfte beim Lesen der einzelnen Reviews zumindest recht deutlich werden. Und dass PROTEST THE HERO noch immer polarisieren, macht die Punktespanne von 8 bis 14 Punkten genauso deutlich.

Review von: Andreas Schiffmann (Profil)

Spätestens nach ihrem aufsehenerregenden Crowdfunding-Erfolg sind PROTEST THE HERO in jeder Hinsicht eine sportliche Band: Superlativen verzeichnen die Kanadier in jeder Hinsicht ... doch das bedeutet nicht, dass sie unantastbar sind.

"Volition" wird als ihr erstes in sich geschlossenes, aber wie zu erwarten nicht ruhendes Album in die Bandgeschichte eingehen, was eine relative Gleichförmigkeit nach sich zieht - relativ insofern, als dies auf hohem Instrumentalniveau geschieht, gleichzeitig da das Songwriting einem für die Gruppe nahezu bewährten Muster folgt: Solo-Ping-Pong hier, brutal rhythmische Haken dort, und dann wieder eine sachte Bridge ("Drumhead" Trial"); mal manisch, fast kopflos, und hinterher entspannt bis episch ("Tilting Against Windmills"); zuletzt nahezu immer eingängig mit passgenauen Shouts ("Clarity"), wie man einmal mehr überhaupt konstatieren muss, dass sich Frontmann Rody um Kopf und Kragen singt (höchste Höhen im atemberaubenden "A Life Embossed"). Neben der Virtuosität seiner Hintermannschaft ist es die Stimme des Sängers, die PROTEST THE HERO ein gutes Stück weit vor der Konkurrenz platziert, vor allem als Alleinstellungsmerkmal.

Man erkennt direkt, wer hier Lärm schlägt - auch weil sich Melodien mitunter mit geringfügiger Variation wiederholen, was man im allseitigen Dudeln und Fiedeln (wiewohl mit Verstand), nicht zwangsläufig als beschränktes Ausdrucksvermögen deuten muss, sondern als Nahrbar- und Verträglichkeit loben darf ... womit wir wieder zu Beginn der Rezension angekommen sind. PROTEST THE HERO sind antastbar wie jede andere Band auch, selbst wenn sie jetzt vermutlich szene-intern durch die Decke gehen werden ... Dürfen sie angesichts der klaren Highlights von Volition auch: "Plato's Tripartite" mit seinem starken Kehrvers, der Bienenschwarm "Without Prejudice" mit MUSE-Vocals und Slap-Bass-Schweinereien sowie "Yellow Teeth", das Stück mit dem besten der immer ganz, ganz tollen Texte. Lesen, hören und staunen. So schlau kann Sport sein, und wer ein Muffel ist, hat sowieso nicht bis hierher gelesen.

FAZIT: PROTEST THE HERO sind spätestens mit "Volition" die Kings am Prog-Core-Firmament. Dieses Album birgt spielerische Höchstleistungen, fiebrige Emotionen sowie intelligente Arrangements zuhauf und kann in dieser Form nur von einer einzigen Band stammen. Welche andere darf so etwas von sich behaupten? Eben.

12 von 15 Punkten


Review von: Andreas Schulz (Profil)

Wie so oft im Leben hat die Medaille auch im Falle des vierten PROTEST THE HERO-Albums "Volition" zwei Seiten. Fangen wir mit der glänzenden Seite an.

PROTEST THE HERO sind eine Ausnahmeband. Sie haben außergewöhnlich gute Musiker in ihren Reihen, was besonders für die beiden Gitarristen gilt - da wird so manch ein Nachwuchsklampfer allein schon vom Hören her Maulsperre bekommen und sich beim Versuch, etwas nachzuspielen, die Finger brechen. Das technische Können ist der Rhythmusfraktion natürlich genauso gegeben, wenngleich ihr Spiel von Natur aus weniger prominent ist, als das der Gitarristen. Auch Sänger Rody Walker ist ein Meister seines Fachs und erklimmt auch die Höhen scheinbar mühelos. PROTEST THE HERO haben ihren eigenen Stil nicht nur entwickelt, sondern perfektioniert und geben dem oft rückwärtsgewandten (Progressive) Metal neue Impulse. Sie vermischen auf funktionierende Art und Weise Metalcore, Poppunk und Prog Metal, reichern die Chose auch mal mit sleazig wirkenden Elementen und bombastischem Pomp an. Für Abwechslung sorgt darüberhinaus die Einbindung von weiblichem Gesang einerseits und aggressiven Shouts andererseits.

So kann man es sehen, so werden es viele sehen und deshalb ist es alles andere als unberechtigt, wenn PROTEST THE HERO für "Volition" die Lorbeeren nahezu allein einsammeln, denn entstanden ist das Album durch eine Crowdfunding-Kampagne in Eigenregie. Natürlich ist es aber über normale Wege zu erstehen, da die Band das Album selbstredend dafür hat lizensieren lassen. Schlau sind sie also auch noch.

Man kann das alles aber auch ganz anders sehen.

Was nützen einem denn die besten Gitarristen, wenn sie es nicht schaffen, auch nur eine Sekunde lang ihr Instrument mit Gefühl zu spielen? Das hyperaktive Runterzocken von melodischen Skalen ist zwar eine Kunst für sich, überfrachtet die Songs jedoch gnadenlos. Vor lauter Gedudel im Hintergrund fällt es schwer, sich auf die anderen Elemente innerhalb der Songs zu konzentrieren. Auf Dauer ist das Griffbrettgewichse jedoch auch so penetrant, dass es richtiggehend nervt. Gleiches gilt mitunter für den enervierend anstrengenden Gesang. Klar, auch da gibt es technisch nichts auszusetzen, aber auch die Gesangslinien sind oft genauso übertrieben schwindelerregend, dass die Kombination aller Elemente dafür sorgt, dass es schwer fällt, sich "Volition" bis zum Ende anzuhören. Und ob es wirklich die Kunst des Songwriting ist, so viel wie nur möglich aufeinanderzustapeln, sei mal dahingestellt. Die Einbindung von Melodien, die tatsächlich welche sind (und eben nicht nur Gedudel), wirkt dabei erzwungen alibihaft und scheint nur dem Zweck zu dienen, den Hörer nicht ganz und gar mit dem Gefrickel in den Wahnsinn zu treiben - Hooks, die ein Stück Musik zu einem wirklich starken, einprägsamen Song machen, gehen jedenfalls ganz anders.

FAZIT: Ich habe versucht, mit "Volition" klar zu kommen. Ich habe versucht, unvoreingenommen an eine Band zu gehen, die mich auch mit ihren vorherigen Platten einfach nur genervt hat. Ich habe es nicht geschafft. Und das Schöne an meinem Scheitern ist, dass ich "Volition" freiwillig nicht noch einmal hören muss. PROTEST THE HERO sind eine talentierte Band und machen anspruchsvolle Musik - nur nicht für mich.

8 von 15 Punkten


Review von: Chris P. (Profil)

Der Vorgänger "Scurrilous" war beinahe schon ein Zugeständnis an den reinen Metal, denn die metalfremden Elemente sind hierauf durchaus ein Stückweit zurückgewichen, doch mit "Volition" geht man einerseits einen Schritt gen Überwerk "Fortress", spinnt seine mathematischen und instrumentalakrobatischen Halsbrechereien allerdings weiter und meistert erstmals das Kunststück, seinen komplexen Sound albumübergreifend weitestgehend homogen zu gestalten.

Mit einem Rattenschwanz an Mit- und Gastmusikern - insgesamt über zehn an der Zahl (unter anderem Ron Jarzombek/WATCHTOWER!) greift die Gruppe um den doch sehr speziellen Vokalisten Rody Walker einmal mehr tief in die mit buntem Musikfeuerwerk gefüllte Kiste und vehdrerht dem Hröer mit vechsruabetn Rhythmen die Genirhwidnungen, kurbelt die Glückshormonausschüttung mit wunderprächtigen Melodien exponentiell an und fasziniert mit einem Kabinettstückchen nach dem anderen.

Aus rein analytischer Sicht kann man "Volition" fürwahr als das beste, tollste und vielste album der Kanadier in die Höhe emporheben, zumal es das konsistenteste und kohärenteste der gesamten Bandgeschichte bis dato ist, doch die Stärken kann man ihnen gleichzeitig als Schwäche ankreiden, denn während die Band selbst bei "Scurrilous" noch zu überraschen vermochte, ist dieses Neuwerk mehr oder minder Zielgruppenbedienung und birgt eine Vorhersehbarkeit in sich, die dafür sorgt, dass man sich sehr schnell daran sattgehört hat.

FAZIT: Objektiv gesehen (jaja, und das aus meinem Munde) ein erstklassiges Album, allerdings auch eines, bei welchem PROTEST THE HERO zum Abziehbild ihrer Selbst zu mutieren drohen. Sicher, es gibt keine Band, die wirklich wie diese klingt und so verdammt weit oben agiert, doch der Hunger vergangener Tage weicht langsam aber sicher einer Routine, die nicht zu dieser Band passen will.

9 von 15 Punkten


Review von: Sascha Ganser (Profil)

Puh, jetzt erstmal das Mütchen kühlen gehen. 52 Minuten pausenlose Hochdruckbestrahlung sind vorbei, aber PROTEST THE HERO verabschieden sich nicht mit dem Eindruck, all ihre Säfte ausgeschwitzt zu haben, sondern platzieren in der Nachstille eher das Bild eines koffeinabhängigen Äffchens auf einem Drahtseil, das sich zum CD-Player jongliert, um einmal mehr auf die Start-Taste zu drücken. Oder eines Kindes, das nach einer überwundenen Achterbahnfahrt freudig strahlend "NOCHMAL!" schreit, während Papa kotzen geht.

Crowdfunding verpflichtet, kann man da wohl unterstellen. "Volition" ist auf Platte gepresstes Schuldgefühl, dem Unterstützer wird geliefert, geliefert, geliefert. Und zwar die ambitionierteste Platte bislang. Tatsächlich ist für Frickeleien gerade so viel Platz, wie das Tempo eben erlaubt. Oft übernimmt eben auch einfach reine Highspeed die Passagen, in denen sich normalerweise die Hirnwindungen kreuz und quer verknoten. Der Power Punk klopft dem Geier schon gewissenhaft auf die Schulter. Das Ziel ist stets die Spitze, die gleich mehrfach erreicht und doch wieder überboten wird, bis langsam die Metaebenen ausgehen. Das reicht soweit, dass etwa auf "Tilting Against Windmills" ein übermütiges Steve-Vai-Lick ausgepackt wird, mit dem eine chemische Ausschüttung Deluxe ausgelöst wird.

Der Blick auf die Spitze allerdings macht streckenweise blind für das Gesamtpaket. Bis zur ersten richtigen Melodie muss man beispielsweise auf das Finish von "Without Prejudice" warten. Jenes wird in einem seltenen Moment der direkten postmodernen Brechung mit dem Schnipsel aus einem alten Filmsoundtrack eröffnet (eine an "King Kong" und Konsorten erinnernde "Sehet und staunet"-Fanfare) und erlaubt sich schließlich ein kurzes Schwelgen in schmachtender Kopfstimme. Solche Momente, in denen intensive Höhepunkte nicht nur über die Technik, sondern über Emotionalität erzeugt werden, sind rar gesät oder wenigstens ungünstig dosiert. PERIPHERY II der gleichnamigen Kollegen klang in diesem Punkt ausfüllender. Ohnehin eignet sich "This Time It’s Personal" als Vergleichsobjekt, weil beide Alben beim Kennenlernen unendlich Prog sind, bevor man nach einigen Rotationen jegliche Komplexität in Frage stellen muss – bei PERIPHERY wegen der Alternative-Verkleidung, bei PROTEST THE HERO wegen des schieren Tempos und der fest verwurzelten Core-Affinität, die ohnehin dazu neigt, jede Wurzelrechnung in einem gemeinsamen Nenner zu vereinen.

FAZIT: Der Zwang ist doch irgendwo allgegenwärtig auf "Volition", das man nur mit zusammengekniffenen Augen durchsteht und dem es auf Komfort nicht im Geringsten ankommt. Kann man das einer jungen Band wie dieser vorwerfen, die nun bereits vier Alben von exzellenter Performance vorgelegt hat, welche insgesamt Zeugnis einer vollreifen Genre-Mündigkeit sind? Wohl kaum. Allerdings wird im Höchsttempo doch so manche Kurve verpasst, die zu neuen Erkenntnissen über die eigene Identität hätte führen können.

10 von 15 Punkten


Review von:  Lutz Koroleski (Oger) (Profil)

"Scurrilious" gehört für mich zu den beeindruckendsten Alben der vergangen Jahre. Eine absolut eigenständig klingende Band kombiniert schwindelerregende technische Fertigkeiten mit Gänsehaut-Melodien zu perfektem Songwriting. Wochenlang kam das Album nicht mehr aus meinem Player.

In die gleiche Kerbe schlägt nun auch "Volition", auch wenn der Effekt nicht mehr ganz so überwältigend sein mag, da der übermächtige Vorgänger zumindest nicht mehr zu toppen war. Doch erreichen die Kanadier bei der Mehrzahl der vertretenen Stücke ein ähnlich hohes Niveau und setzen dabei auf die gleichen Stilmittel wie zuvor. Abgefahrene Gitarrenläufe, vertrackte Rhythmen, schlicht großartige Gesangsmelodien, ein Ideenreichtum, der einen beim Erstgenuss beinahe schon erschlägt, ruhige Passagen wechseln mit Chor-Bombast, absolut unkitschiger Elfen-Gesang geht wie selbstverständlich in aggressives Gebrüll über, das Ganze abseits vom üblichen Strophe-Refrain-Schema und am Ende frisst sich die Scheibe mit jedem neuen Durchlauf tiefer ins Gehirn, da sich immer neue Facetten aus dem Soundgewitter erschließen. Dazu kommen aussagekräftige Texte und ein klasse Artwork.

Doch gibt es neben Wundertüten wie "Clarity", "Tilting Against Windmills", "Without Prejudice", "Yellow Teeth", dem fast schon poppigen "Mist", dem Hassbatzen "A Life Embossed" oder dem kongenialen Rausschmeißer "Skies" auch den einen anderen Vertreter, der nicht ganz das Prädikat "genial" verdient ("Plato´s Tripartite", "Animal Bones"), aber das ist eigentlich nur das berühmte Haar in der Suppe.

FAZIT: PROTEST THE HERO liefern erwartungsgemäß das Album des Jahres ab, auch wenn der Vorgänger im Moment noch einen Tick die Nase vorn hat.

14 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 10,6 von 15 Punkten.

Damit Einstieg auf Platz 24 in den Massen-Review-C
harts.

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Andreas Schulz (Info)